Artikel in der Welt vom 1.6.2014: IWU-Ergebnisse nicht korrekt interpretiert
In einem Artikel der Zeitung Die Welt werden Ergebnisse einer IWU-Studie in einen unzutreffenden Zusammenhang gerückt. Zur Vermeidung von Missverständnissen möchten wir hier die Sachlage aus unserer Sicht richtigstellen.
In dem Artikel vom 1.6.2014 mit dem Titel „Isolierte Betrachtung“ http://www.welt.de/ print/wams/finanzen/article128594485/Isolierte-Betrachtung.html (heruntergeladen am 3.6.2014) wird die Behauptung aufgestellt, die Energieeinsparverordnung (EnEV) zwinge Bauherren bei umfassenden energetischen Modernisierungen zur Dämmung der Fassade. Später wird ein Architekt mit der Einschätzung zitiert, dass aufgrund des genannten Zwanges viele Besitzer ganz darauf verzichteten „ihre Immobilien auf Vordermann zu bringen“. Als Beleg für diesen Zusammenhang – also den Verzicht auf andere energetische Modernisierungsmaßnahmen wegen des angeblichen Zwanges zur Fassadendämmung – führt die Welt eine Studie des IWU an: „Danach wurden von 2005 bis 2012 pro Jahr nur knapp 0,8 Prozent der 15,6 Millionen Wohngebäude im Land saniert, die bis 1995 errichtet wurden“.
Die dargestellten Zusammenhänge entsprechen nicht den Tatsachen. Richtig ist vielmehr, dass die EnEV dem Bauherrn die Wahl lässt, umfangreiche oder weniger umfangreiche Energiesparmaßnahmen an seinem Gebäude auch ohne Fassadendämmung durchzuführen. Es gibt in der EnEV keinen Zwang zur Fassadendämmung, der sich aus der Durchführung anderer energetischer Modernisierungsmaßnahmen ableiten würde.
Im Hinblick auf das Zitat der IWU-Ergebnisse – gemeint ist offenbar die Untersuchung „Datenbasis Gebäudebestand“ aus dem Jahr 2010 (www.iwu.de/fileadmin/user_upload/dateien/energie/klima_altbau/Endbericht_Datenbasis.pdf) – ist neben Detailfehlern in den Bezugsjahren vor allem auf die unzutreffende Interpretation der in der Studie angegebenen jährlichen Rate von ca. 0,8 Prozent pro Jahr hinzuweisen:
Gezählt wurden nicht Gebäude, bei denen überhaupt energetische Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, sondern es handelt sich um einen auf vollständige Modernisierungen hochgerechneten statistischen Durchschnittswert für die Durchführung von Wärmeschutzmaßnahmen an der Gebäudehülle (Dämmung von Außenwänden, Dächern bzw. Obergeschossdecken, Kellerdecken bzw. Erdgeschossfußböden und Installation neuer Fenster): Der Umfang der im Wohngebäudebestand jährlich beobachteten Wärmeschutzmaßnahmen entsprach vereinfacht und statistisch gesprochen einem Anteil von ca. 0,8 % vollständig modernisierter Bestandsgebäude. Tatsächlich wurden pro Jahr an einem deutlich höheren Prozentsatz der deutschen Wohngebäude Wärmeschutzmaßnahmen durchgeführt, allerdings handelte es sich in der Regel eben gerade nicht um eine vollständige Dämmung der Gebäudehülle (die wie gesagt von der EnEV auch gar nicht verlangt wird), sondern um eine oder mehrere Einzelmaßnahmen. Auch dies ist in der Studie des IWU dargestellt.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht korrekt, aus der angegebenen Rate einen Beleg für einen (ohnehin nicht nachvollziehbaren) Zusammenhang zwischen EnEV-Regelungen zur Fassadendämmung und dem angeblichen Verzicht von Bauherren auf andere energetischen Modernisierungsmaßnahmen zu konstruieren. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Höhe der angegebenen Modernisierungsrate beim Wärmeschutz sehr wesentlich durch die Anzahl der Fassadendämmungen beeinflusst wird: Ein Rückgang der Anzahl der Wärmeschutzmaßnahmen an der Außenwand würde unter sonst gleichen Bedingungen auch zu einem Rückgang der angegebenen Wärmeschutz-Modernisierungsrate führen.
Im Hinblick auf die EnEV-Regelungen ist noch darauf hinzuweisen, dass tatsächlich in bestimmten Situationen vom Bauherrn die Durchführung von Wärmeschutzmaßnahmen verlangt wird. Dies ist unabhängig von sonstigen Energiesparmaßnahmen der Fall, wenn bestimmte Sanierungs- bzw. Reparaturmaßnahmen an der Fassade durchgeführt werden (z. B. in der Regel bei einer Erneuerung des Außenputzes im Altbau). In solchen Fällen muss tatsächlich gedämmt werden. Dass dies im Normalfall auch wirtschaftlich ist, wird durch verschiedene Studien belegt (vgl. z. B. die IWU-Studie „Evaluierung und Fortentwicklung der EnEV 2009: Untersuchung zu den ökonomischen Rahmenbedingungen im Wohnungsbau“ http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/FP/ZB/Auftragsforschung/5EnergieKlimaBauen/2012/OekonomRahmenbed/Endbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2). Daneben besteht, wie im Artikel richtig dargestellt, in begründeten Einzelfällen die Möglichkeit, die in der EnEV vorgesehenen Ausnahmeregelungen in Anspruch zu nehmen.